Der Schatten
Von Dienern wimmelt's frueh vor Tag,
Von Lichtern, in des Grafen Schloss.
Die Reiter warten sein am Tor,
Es wiehert morgendlich sein Ross.
Doch er bei seiner Frauen steht
Alleine noch im hohen Saal:
Mit Augen gramvoll prueft er sie,
Er spricht sie an zum letztenmal.
"Wirst du, derweil ich ferne bin
Bei des Erloesers Grab, o Weib,
In Zuechten leben und getreu
Mir sparen deinen jungen Leib?
Wirst du verschliessen Tuer und Tor
Dem Manne, der uns lang entzweit,
Wirst meines Hauses Ehre sein,
Wie du nicht warest jederzeit?"
Sie nickt; da spricht er: "Schwoere denn!"
Und zögernd hebt sie auf die Hand.
Da sieht er bei der Lampe Schein
Des Weibes Schatten an der Wand.
Ein Schauer ihn befaellt — er sinnt,
Er seufzt und wendet sich zumal.
Er winkt ihr einen Scheidegruss,
Und laesset sie allein im Saal.
Elf Tage war er auf der Fahrt,
Ritt krank ins welsche Land hinein:
Frau Hilde gab den Tod ihm mit
In einem giftigen Becher Wein.
Es liegt eine Herberg an der Strass,
Im wilden Tal, heisst Mutintal,
Da fiel er hin in Todesnot,
Und seine Seele Gott befahl.
Dieselbe Nacht Frau Hilde lauscht,
Frau Hilde luget vom Altan:
Nach ihrem Buhlen schaut sie aus,
Das Pfoertlein war ihm aufgetan.
Es tut einen Schlag am vordern Tor,
Und aber einen Schlag, dass es droehnt und hallt;
Im Burghof mitten steht der Graf —
Vom Turm der Waechter kennt ihn bald.
Und Vogt und Zofen auf dem Gang
Den toten Herrn mit Grausen sehn,
Sehn ihn die Stiegen stracks herauf
Nach seiner Frauen Kammer gehn.
Man hört sie schreien und stuerzen hin,
Und eine jaehe Stille war.
Das Gesinde, das flieht, auf die Zinnen es flieht:
Da scheinen am Himmel die Sterne so klar.
Und als vergangen war die Nacht,
Und stand am Wald das Morgenrot,
Sie fanden das Weib in dem Gemach
Am Bettfuss unten liegen tot.
Und als sie treten in den Saal,
O Wunder! steht an weisser Wand
Frau Hildes Schatten, hebet steif
Drei Finger an der rechten Hand.
Und da man ihren Leib begrub,
Der Schatten blieb am selben Ort,
Und blieb, bis daß die Burg zerfiel;
Wohl stuend er sonst noch heute dort.
Eduard Moerike 1855
The Shadow
The bustle of servants at dawn,
The Count's castle brightly lit
His knights waiting at the gate
His own steed eager to set off.
Yet he stands beside his wife
Alone now in the lofty hall:
Grief-stricken he looks at her,
Speaks to her his final words.
"Will you, when I am off
To the Savior's tomb, wife,
Be faithful and restrained
True to your wedded oath?
Will you lock gate and door
For him who has long divided us,
Will you be worthy of this house,
Not careless as before?"
She nods; he speaks: "Swear it then!"
Haltingly she raises her hand.
Cast by the lamplight he beholds
Her dark shadow on the wall.
A shiver down his spine—he broods,
He sighs, turns on his heel.
While parting he waves to her,
Leaves her standing alone in the hall.
Eleven days underway and sick,
On horseback through foreign lands:
Hilde his wife sent death with him
In a poisonous cup of wine.
On the way there stands an inn,
In a wild valley called Mutintal,
There he fell into dire straits,
And yielded up his soul to God.
That same night Frau Hilde hearkened,
From the balcony where she watched:
Waiting for her lover for whom
She had left the door unlatched.
At the foremost gate a knocking,
Then a knock that echoed long;
In the courtyard stands the Count himself—
The tower guard knows at once.
Bailiff and maids look on with horror
In the hallway their erstwhile master,
They watch him bolt up the stairs
To his spouse's private chamber.
They hear her scream and fall,
Then all was silent.
Off to the ramparts the servants flee:
Above them the gleaming stars.
When the night was over,
And dawn lit up the woods,
They found her in her chamber,
At at the foot of her bed, lifeless.
And when they entered the hall,
O wonder! On the whitened wall
Hilde's shadow, her right hand raised
With three stiff fingers held aloft.
And after they had buried her,
The shadow remained there,
Till the castle fell into ruin;
Otherwise 'twould be there to this day.
Translation: Charles L. Cingolani Copyright © 2012
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